02.04.2025: Die bertha wurde zum Gastgeber eines zukunftsweisenden KI-Forums, organisiert von statworx, dem AI Hub Frankfurt und der bertha, das Expertinnen und Experten aus Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft und Recht zusammenbrachte. Unter dem Titel „Zukunftsfähige Bildung neu denken im KI-Zeitalter“ wurde diskutiert, wie Künstliche Intelligenz (KI) nicht nur als technisches Hilfsmittel, sondern als strategisches Instrument zur Förderung von Chancengerechtigkeit und innovativer Lernkultur genutzt werden kann.
In seiner Begrüßung betonte Herr Krug, Leiter der Unterrichtsentwicklung, wie wichtig es sei, Schülerinnen und Schüler auf eine von KI-geprägte Zukunft vorzubereiten. Dabei gehe es nicht nur um Technologie, sondern auch um pädagogische Beziehungen, pädagogische Resonanz und Selbstwirksamkeitserfahrungen. Besonders berührend war der Hinweis auf die Verbindung zwischen der Schulleiterin Frau Zeller und Sebastian Heinz, dem Gründer von statworx, der einst Schüler in ihrer eigenen Klasse war. KI könne Lehrkräfte entlasten und Lernende unterstützen, doch sie könne keine menschlichen Beziehungen ersetzen.
Isabel Hermes stellte statworx vor – ein Frankfurter Unternehmen mit Fokus auf Data Science und KI-Lösungen. Sie erläuterte, warum sich statworx im Bildungsbereich engagiert: Man wolle gesellschaftlich etwas zurückgeben und zugleich auch auf ökologische Aspekte von KI-Anwendungen aufmerksam machen.
Ein Highlight des Forums war die Keynote von Prof. Dr. Andreas Dengel, Professor für Informationsdidaktik an der Goethe-Universität Frankfurt. Er sprach über die grundlegenden Veränderungen durch KI und erklärte anschaulich, wie die Technologie funktioniert. „Es kommt darauf an, was wir daraus machen“, sagte er. KI sei nicht Magie, sondern Wahrscheinlichkeit. Sie könne den Menschen nicht ersetzen, aber ihn ergänzen – Stichwort „Augmented Intelligence“. Lehrkräfte sollten zu KI-Expertinnen und Experten werden, die individuelle Begabungen erkennen und fördern. Es sei Zeit, sich vom Anspruch zu verabschieden, dass alle am Ende das Gleiche können müssen. Vielmehr gehe es um Begabungs-, Interessen-, Wert- und Bedürfnisorientierung. Auf die Frage, wann KI in die Schule komme, zitierte er augenzwinkernd ein Gremiumsmitglied von 1871 zur Einführung der Kreidetafel: „Es macht keinen Sinn, sie einzuführen. Wir haben keine Lehrer …“
In der anschließenden Paneldiskussion diskutierten Fachleute aus Bildung, Recht und Forschung zentrale Fragen zum KI-Einsatz in der Schule. Axel Krommer (Akademischer Oberrat von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) sprach von einem Paradigmenwechsel, der allerdings auch alte Herausforderungen neu aufwerfe – etwa die Frage nach individueller Leistung. Dr. Fabian Zehner (Psychometriker vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) betonte, dass Lernfähigkeit im Mittelpunkt stehen müsse, nicht das Produkt. Schulen müssten reflektieren, welche neuen Kompetenzen notwendig seien, um KI sinnvoll zu nutzen.
Eigentlich wollte ich nicht von Klagen sprechen, sondern wollte bewusst eine provokative Frage formulieren, um eine kritische Auseinandersetzung anzustoßen. Muss man das anderny?
Herr Krug warf die provokante Frage auf, ob der Einsatz von KI dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler an Intelligenz einbüßen. Krommer entgegnete, die Energie müsse besser kanalisiert werden – einfache Dinge könnten durch KI übernommen werden. Antonia Dufeu, Rechtsanwältin für Medienrecht und KI, warb für den kompetenten und kritischen Einsatz von Tools wie ChatGPT. KI-Kompetenz sei entscheidend. Auf die Frage, ob es strafbar sei, KI zu nutzen, erklärte sie, es sei nicht erlaubt, fremde Leistungen als eigene auszugeben. KI-Werke selbst seien zwar gemeinfrei, ihre ungerechtfertigte Verwendung aber ein Täuschungsversuch.
Auch das Thema Prüfungen wurde kontrovers diskutiert. Krommer sprach von „toxischen Prüfungen“ und forderte eine stärkere Orientierung an Kompetenzrastern. Zehner ergänzte: „Der Mensch ist ein kognitiver Geizhals“ – daher sei es wichtig, Lernprozesse zu optimieren.
Herr Fischer, IT-Koordinator an der bertha, verwies auf strukturelle Herausforderungen wie fehlende Zeit und Freiheit, um den immensen Fortbildungs- und Schulentwicklungsnotwendigkeiten nachgehen zu können. Dufeu betonte die Notwendigkeit einer praxisnahen Datenschutzpolitik, die Kinder schützt, aber zugleich handhabbar ist. Auf die Frage, ob nur leistungsstarke Schülerinnen und Schüler von KI profitieren, verwies Krommer auf Studienergebnisse: Je stärker KI beim Schreiben unterstütze, desto kreativer seien auch eher leistungsschwächere Lernende geworden. Auch Fischer berichtete von Untersuchungen, in denen sich gezeigt habe, dass insbesondere schwächere Lernende von einer Feedback-Kombination aus Lehrkraft und KI profitierten.
In mehreren Workshops konnten sich die Teilnehmenden vertieft mit spezifischen Aspekten des KI-Einsatzes im schulischen Kontext auseinandersetzen.
Der Workshop „Wer ist Held, wer Täter?“, geleitet von Elifnur Doğan (statworx), thematisierte namensbasierte Stereotypen und die Gefahr, dass KI gesellschaftliche Vorurteile durch Trainingsdaten übernimmt („Bias“). Anhand eines Experiments mit vorgegebenen Namen (muslimisch bzw. nicht-muslimisch) wurde gezeigt, wie Vorurteile durch KI verstärkt werden können, indem sie in Ergebnissen übernommen werden. Das Ergebnis: Muslimisch klingende Namen wurden signifikant häufiger als Verdächtige eingestuft (92 %) – westlich klingende Namen dagegen meist als Polizistinnen (88 %). KI sei nicht neutral. Dem Umstand könne mit kritischem Denken, bewussten KI-Prompts, z. B. mit gendergerechter Sprache, Rechnung getragen werden.
Im Workshop „KI-Kompetenzmodell“ (Joschka Falck, Lehrer und Schulentwickler) wurde gezeigt, wie eine Lehrkraft eine Figur mithilfe von KI entwerfen und anschließend Interviews im Unterricht durchführen kann – ein Beispiel für kreativen KI-Einsatz. Auch Barrierefreiheit durch KI war ein Thema: etwa durch Anwendungen, die Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen unterstützen.
Rechtliche Fragestellungen standen im Fokus des Workshops „Die rechtlichen Herausforderungen von KI“, geleitet von Antonia Dufeu. Hier ging es um Urheberrecht, Täuschungsversuche und Datenschutz im Unterricht. Welche Inhalte dürfen Lehrkräfte übernehmen? Wann liegt ein Täuschungsversuch durch KI-Nutzung vor? Die Teilnehmenden erhielten praxisnahe Empfehlungen zur Einführung schulinterner Verhaltensregeln und zur rechtssicheren Bewertung KI-gestützter Leistungen.
Herr Krug stellte das an der Bertha durchgeführte Pilotprojekt „bertha Lernnetz“ vor: ein digitales System, das auf KI-gestützten formativen Tests basiert. Es ermöglicht Schülerinnen und Schülern, gezielt herauszufinden, welche Inhalte sie bereits beherrschen und in welchen Bereichen noch Wiederholungsbedarf besteht. Ziel ist es, individuelle Wissenslücken systematisch zu identifizieren und zu schließen – als Unterstützung für ein selbstgesteuertes, zielgerichtetes Lernen.
Abschließend bot der Workshop „Alternative Prüfungskultur mit KI“, geleitet von Herr Rosenhammer (Koordinator bertha Lernnetz), Einblicke in neue, KI-unterstützte Formen der Leistungsbewertung. Die Teilnehmenden diskutierten, wie Prüfungen künftig gerechter, lernorientierter und individualisierter gestaltet werden können – ganz im Sinne eines modernen Bildungsverständnisses.
Das KI-Forum an der bertha war ein voller Erfolg – eine Veranstaltung, die aktuelle Herausforderungen und Potenziale nicht nur theoretisch, sondern praxisnah und kritisch beleuchtet hat. Sie machte deutlich: KI ist kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug – und wie jedes Werkzeug kommt es darauf an, wie wir es nutzen. Wir sind bereit, uns dieser Herausforderung zu stellen!
Wir danken Herrn Fischer und Herrn Krug sowie unseren Kooperationspartnerinnen und -partnern für die hervorragende Organisation dieser großartigen und wichtigen Veranstaltung!