Studienfahrt nach Erfurt: Rechtspopulismus und Rechtsextremismus – ein deutsch-deutscher Vergleich (Rhein-Main / Erfurt)

Vom 23. bis 28. November 2025 begaben sich Lernende aus dem Leistungskurs Politik und Wirtschaft sowie dem Leistungskurs Geschichte (Q3) der bertha in Kooperation mit der Margit-Horváth-Stiftung auf eine intensive Studienfahrt nach Erfurt. Die Fahrt fand unter dem Leitgedanken „Erinnern heißt handeln – für eine demokratische Zukunft“ statt. 

Ziel war es, die Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und gesellschaftlichen Herausforderungen nicht nur theoretisch, sondern multiperspektivisch und praxisnah zu gestalten.

Die Fahrt wurde im Unterricht und durch außerschulische Lernorte intensiv vorbereitet: Die Jugendlichen setzten sich mit den Grundlagen von Demokratie, Autokratie und Diktatur auseinander und diskutierten aktuelle politische Entwicklungen. Ergänzt wurde dies durch Expertenvorträge, unter anderem von Dr. Hövermann, der wissenschaftliche Perspektiven zu Rechtsextremismus und Populismus einbrachte, sowie von Gerd Ochs, der als Kenner der Aussteiger-Szene praxisnahe Einblicke in rechtsextreme Strukturen und Präventionsarbeit gab.
Darüber hinaus besuchten die Lernenden die Gedenkstätte Großmarkthalle in Frankfurt, einen zentralen Ort der Deportationen während der NS-Zeit, sowie den KZ-Lehrpfad in Walldorf, um die Verbindung von lokaler Geschichte und nationalsozialistischen Verbrechen zu verstehen. Diese Erfahrungen schärften den Blick für die Bedeutung von Erinnerungskultur und bereiteten die Gruppe auf die Begegnungen in Erfurt vor.

Erster Tag: Stadtrundgang auf zentralen Plätzen

Die Studienfahrt begann mit einem Stadtrundgang durch zentrale Plätze in Erfurt, begleitet von selbst erarbeiteten Kurzreferaten. Thematisiert wurden unter anderem:

  • der Mord an Heinz Mädel und die Rolle der Neonazi-Szene in den 1990er Jahren,
  • rechtsextreme Strukturen in der Nachwendezeit,
  • die Entwicklung der AfD und ihre Bedeutung für die deutsche Parteienlandschaft,
  • die Montagsdemonstrationen als Ursprung der Friedlichen Revolution,
  • sowie die Frage, wie Erfurt heute an Opfer rechter Gewalt erinnert.

Vielfalt der Perspektiven

Neben den historischen Themen führten die Jugendlichen Gespräche mit Vertreterinnen und Vertreter des Flüchtlingsrats, der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MOBIT), der Initiative „Blinde Flecken“ und der Leiterin des Interkulturellen Zentrums (IZM). Besonders eindrucksvoll waren die Begegnungen mit Menschen, die erst kürzlich nach Deutschland gekommen sind und offen über die Herausforderungen des Spracherwerbs und der Integration berichteten.
Ein weiterer wichtiger Programmpunkt war der Besuch im Queer Zentrum Erfurt, wo die Gruppe mit einer Person sprach, die sich als nicht-binär identifiziert. Das Gespräch machte deutlich, mit welchen Herausforderungen queere Menschen im Alltag konfrontiert sind und wie wichtig gesellschaftliche Akzeptanz und Schutzräume sind.

Beeindruckende Momente

  • Zeitzeugengespräch in der ehemaligen Stasi-Haftanstalt Andreasstraße: Die Berichte über Repression und Widerstand in der DDR bewegten die Lernenden tief und machten die Bedeutung von Freiheit und Menschenrechten greifbar.
  • Vortrag und Rundgang im Museum „Topf & Söhne“: Die Auseinandersetzung mit der Rolle des Unternehmens beim Bau von Verbrennungsöfen für Krematorien in Konzentrationslagern stimmte die Gruppe sehr nachdenklich und führte zu intensiven Diskussionen über Verantwortung und Ethik.

Aktiver Austausch und Reflexion

Die Studienfahrt war geprägt von Dialog und Perspektivwechsel: Bei Straßeninterviews in Erfurt sammelten die Jugendlichen Meinungen zu Demokratie und politischer Teilhabe und verglichen diese später mit Interviews aus dem Rhein-Main-Gebiet. Unterschiede und Gemeinsamkeiten wurden kritisch reflektiert.
Besonders spannend war die Begegnung mit einer Schulklasse aus Gotha: In einem Speed-Dating-Format tauschten sich die Jugendlichen über ihre Sicht auf Politik und Gesellschaft aus, bevor sie in einer Fishbowl-Diskussion Ost- und Westperspektiven kontrovers, aber respektvoll gegenüberstellten. Ein Gegenbesuch in Frankfurt ist bereits im Gespräch.

Jeden Abend fanden gemeinsame Reflexionsrunden statt, in denen die Eindrücke des Tages verarbeitet wurden. Diese Gespräche zeigten, wie sehr die Jugendlichen die Erfahrungen bewegten und wie wichtig es ist, sich aktiv mit Demokratie, Menschenrechten und gesellschaftlicher Verantwortung auseinanderzusetzen.

Die Studienfahrt machte deutlich: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie lebt vom Dialog, vom Perspektivwechsel und vom Engagement. Die Jugendlichen erlebten, wie bereichernd Begegnungen über regionale und kulturelle Grenzen hinweg sein können und wie wichtig es ist, sich gegen Ausgrenzung und Radikalisierung zu stellen.